05/02/2013 Dr. Dominik Faust

Qualitätsjournalismus im Digital Media Zeitalter

Die Frage nach der Qualifikation von Journalisten und damit nach der Qualität journalistischer Produkte müssen sich Medienverantwortliche im Wandel der Zeiten immer wieder neu stellen. Gerade im Digital Media Zeitalter ist diese Frage entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Zeitschriften- und Zeitungsverlagen bzw. von trimedialen oder quattromedialen Medienhäusern. Nach Überzeugung der renommierten Axel Springer Akademie, die der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Dr. Mathias Döpfner, 2006 als „die erste Adresse für eine moderne, medienübergreifende Journalistenausbildung in Deutschland“ bezeichnete, müssen erfolgreich arbeitende Journalisten mindestens drei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen über ein üblicherweise in einem Studium erworbenes Fachwissen verfügen, sie sollten mindestens eine Fremdsprache fließend sprechen und sie müssen „ein in einer praktischen Berufsausbildung geformtes und geschultes Talent nachweisen“. Damit wird schon deutlich, dass die Qualifikation von Journalisten mehr umfasst als nur die reine journalistische Ausbildung. Dennoch muss diese im Mittelpunkt der Betrachtungen eines jeden Medienverantwortlichen stehen. Dabei erscheinen drei Qualitätskriterien in der Journalistenausbildung besonders relevant:

1. Das journalistische Handwerkszeug beherrschen

Als ich Anfang der 90er Jahre meine journalistische Ausbildung bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck / Mediengruppe Main-Post absolvierte, hatte ich großes Glück mit meinem Volontärsvater. Der leider viel zu früh verstorbene Burkard Ullrich nahm sich viel Zeit, um ganz im Stile von Wolf Schneider „Deutsch für Profis“ sowie das übrige journalistische Handwerkszeug zu trainieren – flankiert durch mehrwöchige Weiterbildungsseminare bei der Akademie der Bayerischen Presse. Bis heute ist unstrittig, dass gut ausgebildete Journalisten mindestens die Methoden effektiver Recherche, die verschiedenen journalistischen Darstellungsformen (denen ein guter Stil immanent ist) sowie ihre Rechte und Pflichten kennen und beherrschen müssen – selbst wenn (betroffene) Nutzer immer daran zweifeln werden, dass Journalisten ihren eigenen Qualitätsstandards entsprechen. Doch die Ausbildungsleiter der Verlags- und Medienhäuser sowie der einschlägigen Akademien und Journalistenschulen werden auch in Zukunft genau darauf achten.

2. Crossmedialität als Handwerkszeug begreifen

Spätestens im Zeitalter von Digital Media ist es allerdings ebenso notwendig geworden, den Umfang des journalistischen Handwerkszeugs um medienübergreifendes, also crossmediales Arbeiten zu erweitern. Zwar gibt es immer noch Medienvertreter, die angesichts dieser Notwendigkeit den Popanz von „eierlegenden Wollmilchsäuen“ aufbauen, die alles können müssen und zwar gleichzeitig. Doch genau diese Gleichzeitigkeit ist nicht das Ziel. Vielmehr können Journalisten in modernen multimedialen Medienhäusern grundsätzlich sowohl für Fernsehen als auch für Hörfunk, Online (inkl. Social Media) und Print arbeiten. Zu meiner Ausbildungszeit war Print Standard und wir multimedial bzw. crossmedial Interessierten mussten uns noch auf eigene Faust in audiovisuellen Medientechniken weiterqualifizieren. Heute sind sich junge internationale Kolleginnen und Kollegen einig:

Journalisten werden lernen müssen, „wie man in der digitalen Welt schreibt und recherchiert, wie man ohne Verlage Geld verdient, und vielleicht auch, wie man programmiert.“

Das ist ein Fazit von Amrai Coen und Caterina Lobenstein. Die beiden Absolventinnen der Henri-Nannen-Schule haben im Rahmen des Next Media Report Medienschaffende Hamburg, New York, São Paulo, Tokio, Kairo, Mumbai und London über die Zukunft des Journalismus befragt.

Genau in diese Richtung werden Journalisten heutzutage in modernen Verlags- und Medienhäusern sowie Akademien und Journalistenschulen ausgebildet. Die dortigen Verantwortlichen haben längst verstanden, dass Crossmedialität fester Bestandteil journalistischen Handwerkszeugs und damit Voraussetzung für Qualitätsjournalismus sein muss. Das bestätigt zum Beispiel der Leiter der Deutschen Journalistenschule (DJS), Jörg Sadrozinski:

„Die multimediale Ausbildung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Medien auf der Plattform Internet immer mehr zusammenwachsen […]. Diesen – zunächst hauptsächlich technischen – Anforderungen müssen Journalisten in Zukunft gewachsen sein. Künftige Journalisten müssen die Bedürfnisse und Anforderungen der Medien, für die sie arbeiten, kennen.“

Und – seien wir ehrlich – so revolutionär ist diese Erkenntnis nicht: Schon vor 20 Jahren habe ich während meiner journalistischen Ausbildung neben dem Schreiben auch das Fotografieren (inkl. Filmentwicklung in der Dunkelkammer sowie Herstellung von Positivbildern) und das Layouten (damals Ganzseitenumbruch) gelernt. Vor meiner Zeit waren das allein die Domänen ausgebildeter Fotografen oder Schriftsetzer bzw. Metteure. Ein anderes Beispiel gefällig? Radioleute des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch Mitarbeiter privater Programmanbieter werden von ihren Medienhäusern regelmäßig zu Videojournalisten (VJ) weiterqualifiziert. Monojournalismus ade!

3. Aufgeschlossen für neue Technologien bleiben

Um bei diesen Entwicklungen mithalten zu können, sollte man neuen Technologien aufgeschlossen gegenüberstehen. Diese Eigenschaft ist zwar nicht Bestandteil journalistischen Handwerkszeugs, aber sie darf modernen Journalisten nicht völlig abgehen. Sie sollten sich – wiederum medienübergreifend – für neue technische Formen zur Verbreitung ihrer hochwertigen Inhalte interessieren und sie selbst ausprobieren bzw. sich darin schulen lassen. Moderne Journalisten sind in sozialen Netzwerken aktiv und publizieren in traditionellen und neuen Ausspielkanälen. Verlage brauchen sie dazu nicht mehr unbedingt, wie das Projekt ProPublica in Manhattan zeigt.  Ein anderes Beispiel dafür, wie Technologien journalistisches Arbeiten beeinflussen, bietet derzeit die ARD. Ihre Reporter werden ab sofort mit Smartphones ausgestattet, auf denen eine um das Modul „Mobile Reporter“ erweiterte Tagesschau-App installiert ist. Über den Button „Live“ können die Reporter ohne Ü-Wagen und aufwändiges TV-Equipment direkt vor Ort berichten. Die Arbeit via App wird Fernsehberichte in ihrer traditionellen Form (zunächst) nicht ersetzen. Aber sie ermöglicht beim derzeitigen Stand der Technik die aktuellste TV-(Live-)Berichterstattung. Und, so Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke in der taz, wenn die Technik besser werde, sei der Weg offen „hin zu kostengünstigerer Produktion und journalistischer Bereicherung“.

Übrigens: Die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Kommunikationstechnologien ist auch für Medienverantwortliche wichtig. Denn diese Technologien können immer Potenzial für modifizierte oder völlig neue Geschäftsmodelle enthalten.

Fazit zum Qualitätsjournalismus

Qualitätsjournalismus erforderte schon immer qualifizierte Journalisten mit crossmedialen Fähigkeiten und einer Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien. Das war bereits so, als Printjournalisten anfingen zu fotografieren und zu layouten. Heutzutage müssen sich Vertreter aller Mediengattungen auch in den jeweils anderen Gattungen auskennen. Und es kommen neue Berufsbilder dazu. So arbeiten Journalisten im Digital Media Zeitalter unter anderem auch als Blogger sowie als Community- oder Social-Media-Manager. Das belegt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Apenberg+Partner GmbH in Hamburg. Die Qualifikation der Journalisten und damit der Qualitätsjournalismus unterliegen eben einem ständigen Wandel.

Es mag sein, dass dieser andauernde Prozess unterm Strich eine Anpassung des Qualitätsbegriffs erforderlich machen wird. Aber ist das schlimm? Letztlich hängt das von der Dimension der Anpassung ab. Im Printbereich haben wir gelernt, dass wir auch nach der Abschaffung der Lektorate in den Verlagshäusern weiter von Qualitätsjournalismus sprechen dürfen – wenngleich allein die orthographische Güte vieler Druckerzeugnisse nicht mehr mit jener der so genannten „guten alten Zeit“ vergleichbar ist – von Onlinetexten ganz zu schweigen. Ähnlich wird es uns in Zeiten knapper Kassen, modernstem Equipment und schnell zu stillender Informationsbedürfnisse im Bereich New Media ergehen. Es liegt daher in unserer aller Verantwortung, die Kriterien für Qualitätsjournalismus auch in Zukunft so streng wie nötig, aber so praktikabel wie möglich zu halten.

Doch ganz ehrlich: Am Ende entscheiden die Nutzer, was sie unter Qualitätsjournalismus verstehen – und wie viel sie dafür bezahlen wollen.

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Dr. Dominik Faust

Der Autor verbindet operative Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz sowie zertifizierte Veränderungs-Kompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise. Er verfügt über langjährige Expertise und etliche Zertifikate in Change Leadership, Change Management, digitaler Kommunikation und Facilitation. Als Führungskraft (+70 MA) und Top-Management-Berater hat er bereits zahlreiche Wandelvorhaben erfolgreich initiiert und konzipiert. Dominik promovierte über notwendige Veränderungen internationaler Organisationen zur Steigerung ihrer Effektivität und Effizienz. Auf Basis seiner breiten theoretischen und praktischen Change-Expertise berät er im viadoo-Team erfolgreich Führungskräfte auf C-Level.