18/01/2010 Dr. Dominik Faust

Social Media und Telefon: Der Vergleich hinkt

Am 13. Januar twitterte Uwe Knaus von Daimler eine Aussage von Richard Binhammer, Leiter Public Affairs bei Dell. Der Tenor lautete, dass die Nutzung von Social Media in Unternehmen so selbstverständlich werden sollte wie die Nutzung des Telefons. Ein Zitat aus dem entsprechenden Interview: „Social Media heißt ganz einfach, sich verbinden. So, wie wir das mit dem Telefon oder der E-Mail tun. Dazu braucht es keine eigene Abteilung. Haben Sie eine Abteilung fürs Telefon?“ Via Twitter und diversen Blogs wurde dieses (Selbst-) Verständnis von Social Media als vorbildlich und zukunftsweisend dargestellt. Andere griffen die Binhammer’sche Gleichstellung von Social Media und Telefon etwas verklausulierter auf. Mirko Lange von Talkabout etwa meinte drei Tage später in seinem Blog, jedes Unternehmen bräuchte eine Grundversorgung in Sachen Social Media: „Ebenso, wie jedes Unternehmen über Telefon und E-Mail verfügt“.

Wir von DFKOM antworteten @uknaus, dass der Vergleich zwischen Social Media und Telefon unseres Erachtens hinkt. Eigentlich werden hier sogar Äpfel neben Birnen gelegt.

Nach Telefonat bleiben nur Erinnerungen

Denn zunächst handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Kommunikationsformen. Während man sich am Telefon in der Regel nur mit einer Person unterhält (one-to-one), können Inhalte auf Social Media Plattformen von vielen gelesen werden (one-to-many). Das hat Auswirkungen auf das, was man sagen bzw. schreiben kann, darf, muss oder sollte. Die Kommunikation via Telefon hat einen ungleich höheren Freiheitsgrad als die via Social Media. Hier gilt das gesprochene Wort, dort das geschriebene. Am Ende eines Telefonats bleiben nur Erinnerungen oder Notizen. Am Ende eines Social-Media-Eintrags bleibt Schwarzes auf Weißem, das man gemäß Goethe „getrost nach Hause tragen“ kann, und das im Internet über eine hohe Halbwertszeit verfügt.

Keine besonderen Regeln fürs Telefonieren

Unternehmenskommunikation via Social Media kann daher nicht ohne Schulung, ohne Einweisung, ohne besondere Regeln wie Social Media Guidelines und damit ggf. auch nicht ohne einen Verantwortlichen oder gar eine eigene Abteilung funktionieren, wenn der Schuss nicht nach hinten losgehen soll. Unternehmenskommunikation via Telefon dagegen bedarf keiner besonderen Regeln – und natürlich auch keiner eigenen Abteilung.

Nun könnte man Folgendes einwenden: Wenn sich die Kommunikationskultur in einem Unternehmen entsprechend änderte, würde auch der Umgang mit Social Media so selbstverständlich wie jener mit dem Telefon. Beide wären gleich. Das kann sich aber nur auf die Technik beziehen. Da wir Kommunikatoren aber alle immer unisono betonen, dass Social Media weniger eine neue Technologie als vielmehr eine neue Kultur des Dialogs sei, wäre eine solche Quintessenz der Binhammer-Aussage zu banal. Er hat es sicher anders gemeint und viele Kollegen haben es sicher auch anders verstanden.

Social Media und Telefon bleiben zwei paar Stiefel

Was ist die Schlussfolgerung? Die (Unternehmens-) Kommunikation via Social Media wird nur dann so selbstverständlich wie jene via Telefon, wenn sich die Kommunikation via Telefon der via Social Media anpasst. Jedes gesprochene Wort müsste dann den „Öffentlichkeitstest“ bestehen: Könnte ich das, was ich jetzt sagen will, auch so in unseren Facebook- oder Twitter-Account einstellen und somit öffentlich machen? Das ist nicht realistisch. Den telefonischen Freiheitsgrad wird niemand ernsthaft beschneiden wollen.

Daher wird man auch in Zukunft in der intimeren Gesprächsatmosphäre eines Telefonats Dinge aussprechen, die man in keinem Fall schriftlich fixieren und jedermann zugänglich machen würde. Dabei geht es nicht um, wie mancher vielleicht vermuten möchte, um Verbalinjurien. Nein! Es geht insbesondere um individuelle Formulierungen, die dem jeweiligen Gesprächspartner als Teil der persönlichen Wertschätzung gesagt werden. So bleiben Social Media und Telefon in der Unternehmenskommunikation zwei paar Stiefel.

Foto: © Faust / DFKOM GmbH

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Dr. Dominik Faust

Der Autor verbindet operative Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz sowie zertifizierte Veränderungs-Kompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise. Er verfügt über langjährige Expertise und etliche Zertifikate in Change Leadership, Change Management, digitaler Kommunikation und Facilitation. Als Führungskraft (+70 MA) und Top-Management-Berater hat er bereits zahlreiche Wandelvorhaben erfolgreich initiiert und konzipiert. Dominik promovierte über notwendige Veränderungen internationaler Organisationen zur Steigerung ihrer Effektivität und Effizienz. Auf Basis seiner breiten theoretischen und praktischen Change-Expertise berät er im viadoo-Team erfolgreich Führungskräfte auf C-Level.

Comments (15)

  1. Mirko Lange

    Natürlich ist es sinnvoll, wenn Mitarbeiter eine Schulung bekommen, wie sie in sozialen Medien kommunizieren. Oder auch nicht, denn in einigen Jahren (Stichwort Generation Y) kommunizieren die Mitarbeiter sowieso in sozialen Medien. Sie sind dann alle privat in Facebook, auf Twitter, wo auch immer.Unter dem Strich wird es aber „ganz normal“. In vielen Fällen wird die Kommunikation über Facebook & Co. die E-Mail ersetzen. Oder die SMS, Oder das Telefon. In vielen Fällen natürlich nicht. Aber wie gesagt: Es wird normal.

  2. Ich wollte das gute alte Telefon nicht mit Social Media Platformen vergleichen. Dieser Vergleich würde tatsächlich hinken. Mein Tweet wurde auch vollkommen korrekt interpretiert „Der Tenor lautete, dass die Nutzung von Social Media in Unternehmen so selbstverständlich werden sollte wie die Nutzung des Telefons.“ Dazu benötigt es Aufklärungsarbeit und vor allem Zeit. Dann werden wir mit Social Media genau so sebstverständlich umgehen, wie mit dem Telefon.Ob jedes Unternehmen/Organisationen Social Media nutzen sollte, wage ich zu bezweifeln. Der Bereich Private Equity oder ein Brennelementehersteller werden sicher noch lange beim Telefon bleiben.

  3. Dominik Faust

    @mirkolange
    Dass die Kommunikation via Social Media heute schon bei den Digital Natives selbstverständlich ist und damit auch bei den nächsten Arbeitnehmer-Generationen immer normaler sein wird, ist völlig richtig. Das heißt, diese Menschen beherrschen das Social Media Handwerk (analog: sie können Telefonieren). Was sie dennoch lernen müssen, ist die individuelle Social Media Policy ihrer jeweiligen Arbeitgeber. Sie darin zu schulen, ihr Bewusstsein dafür zu schärfen, bleibt Aufgabe der Unternehmenskommunikation – egal, ob es sich dabei um einen (auch externen) Beauftragten, um eine Stabsstelle oder um eine ganze Abteilung handelt. Dies wurde von Binhammer mit dem Hinweis darauf in Frage gestellt, dass man fürs Telefon auch keine eigene Abteilung habe. Dieser Position schließen wir uns von DFKOM nicht an, weil wir den Vergleich aus den genannten Gründen für unzulänglich halten.

    @uknaus
    Wir sehen in den Äußerungen von Binhammer eine banale und eine tiefgründigere Dimension. Erstere, wonach die Nutzung von Social Media so normal werden wird wie die Nutzung des Telefons, bleibt unbestritten. Die zweite Dimension geht über das rein Technische, über die reine Nutzung dieser Medien, hinaus. Überspitzt ausgedrückt lautet die tiefgründigere Dimension: Für die Nutzung von Social Media in Unternehmen braucht es keine Regeln und keine Kontrolle. Da kann man ebenso schreiben, wie man beim Telefonieren redet. Eine eigene Abteilung für Social Media (oder einen Beauftragten oder eine Stabstelle) werde dafür nicht benötigt. Das sehen wir nicht so, und Ihr wichtiger Hinweis auf die erforderliche „Aufklärungsarbeit“ ließe sich auch in diesem Sinn interpretieren. Denn Kommunikation via Social Media ist mehr als nur „sich verbinden“, ist mehr als nur telefonieren.

  4. Paul Fritze

    Ein Punkt in dem Beitrag gilt es aufzugreifen:“Unternehmenskommunikation via Social Media kann daher nicht ohne Schulung, ohne Einweisung, ohne besondere Regeln und damit ggf. auch nicht ohne einen Verantwortlichen oder gar eine eigene Abteilung funktionieren, wenn der Schuss nicht nach hinten losgehen soll. UK via Telefon dagegen bedarf keiner besonderen Regeln – und natürlich auch keiner eigenen Abteilung.“Jeder Mitarbeiter, der das Telefon in einem Unternehmen benutzt, spricht mit einer Stimme, die das Unternehmen repräsentiert. Gibt es dafür Regeln? Ganz sicher, denn telefonieren, gehört wie jede Art der Interaktion eines Unternehmens mit Kunden, Partnern, Lieferanten und Dienstleistern zur UK. Ist telefonieren, dennoch schlicht eines von vielen tools, was man nutzt, um seine Arbeit zu erledigen wie ein Fax-Gerät, eine Schere oder ein Bleistift? Ich denke schon. Und eine Schulung braucht man dafür nicht, denn man lernt in der Schule das Schreiben, von den Eltern das Nutzen einer Schere und den Umgang mit Fax und Telefon bekommt wie selsbtverständlich mit – man wächst damit auf.Anders wird es nicht mit den tools passieren, die uns Social Media zur Verfügung stellt. Es sind Hilfsmittel, die wir u.a. nutzen, um UK zu betreiben, aber derzeit noch sehr neu sind – keiner von uns ist damit aufgewachsen. Deswegen gibt es m.a. heute auch noch Social Media Abteilungen und Verantwortliche, so wie es früher Telefonzentralen und Computerbeauftragte gab. Das wird noch einige Jahre so bleiben, bis die ersten Menschen in Unternehmen sitzen, die mit den tools von Social Media aufgewachsen sind. So wie wir heute darüber lachen, dass man früher jemanden gebeten hat einen Computer zu bedienen, werden diese dann lächeln, wenn wir nach der Social Media Abteilung fragen…

  5. Dominik Faust

    @rainerhelmes
    Über das „Normale“ sind wir uns alle einig: Kommunikation via Social Media wird so üblich werden wie das Telefonieren. Dass die Regeln dafür „auf einem anderen Blatt“ stehen sollen, erschließt sich mir nicht. Soziale Medien nutzen und wissen, worauf man dabei als Mitarbeiter achten muss, gehört für mich untrennbar zusammen. Das hat Binhammer mit seinem so oft getwitterten Zitat außer acht gelassen, weshalb die expressis verbis überspitzte Formulierung in der Antwort an @uknaus weiterhin ihre Gültigkeit behält.

  6. Rainer Helmes

    Wie Uwe Knaus richtig anmerkt, geht es bei ‚Social Media‘ um die Nutzung verschiedener Kommunikationskanäle.Ich bin überzeugt, eines Tages werden diese Kanäle so selbstverständlich – also „normal“ – genutzt wie heute das Telefon. Das ist noch Zukunftsmusik, aber diese (Wunsch-)Vorstellung kommt in dem o.g. Zitat zum Ausdruck. Ich zitiere mich hier selbst: „‚Social Media’ ist dann in der Realität angekommen, wenn wir ‘es’ so normal benutzen wie das Telefon, ohne groß darüber nachzudenken.“Heute ist die E-Mail als „normales Kommunikationsmittel“ im Unternehmen angekommen – noch vor wenigen Jahren war das gar nicht so selbstverständlich. Geschichte wiederholt sich – manchmal.Auf einem anderen Blatt steht, dass es für jedes Unternehmen ratsam ist, Richtlinien für die Außendarstellung vorzugeben, diese schließen selbstverständlich die Nutzung des Telefons sowie die Anwendung diverser ‚Social-Media-Tools‘ ein. Im Zweifel bieten sich hierzu auch MA-Schulungen an.Die Aussage „UK via Telefon dagegen bedarf keiner besonderen Regeln“ unterschreibe ich so nicht.Und „Für die Nutzung von Social Media in Unternehmen braucht es keine Regeln und keine Kontrolle“, das sagt so auch niemand.Richtig ist, dass sich mit ‚Social Media‘ eine neue Kultur des Dialogs entwickelt; hier ist die Unternehmensleitung aufgerufen, klare Vorgaben im Sinne der Unternehmensrichtlinen zu machen, diese in eine sog. ‚Corporate Identity‘ zu gießen und klar gegenüber den MA zu kommunizieren.

  7. Dominik Faust

    @mirkolange
    Danke für die Synthese. Vielleicht sollten wir mal einen Beitrag über das Problem der Textinterpretation im Social Web verfassen ;-D. Hauptsache die Diskussion macht dann wieder so viel Spaß.

  8. Mirko Lange

    WIr sind uns ja einig 🙂 Klar, müssen Mitarbeiter „engaged“ und geschult werden, was die Nutzung eines bestimmten Werkzeugs im Kontext des Unternehmens betrifft. Wie CD-Guidelines. Wie Telefon-Guidelines. Wie Wording-Guidelines.Aber was es eben nicht gibt, ist eine eigene Abteilung, welche die „Social Media Kanäle“ bedient. Sondern jeder kommuniziert selbst. Über Telefon, Über E-Mail. Über Twitter… Meine ich, meint wahrscheinlich auch Binhammer.

  9. Paul Fritze

    Wir sind uns wohl einig, ja 🙂 Aber wir lassen einen Punkt in der Diskussion ausser Acht. Social Media ist der Überbegriff für mehrere neue tools die das Internet bietet. Das Telefon ist nur ein einzelnes tool. Soll heissen, dass das Telefon mit einem der neuen Werkzeuge verglichen werden sollte und nicht mit allen, die wir unter dem Begriff Social Media sammeln. Als Frage formuliert wäre es dann eher richtig zu fragen: „Welches tool aus dem Bereich Social Media ist vergleichbar mit dem Telefon, dem Fax-Gerät oder der Email? Facebook, Twitter, Foursquare, Blog, Formspring, Forum? Gibt es überhaupt ein vergleichbares tool? Funktioniert ein tool aus dem Bereich Social Media überhaupt oder braucht es den Mix vs. Funktioniert ein Telefon allein oder braucht es die Kombination aus Telefon und…Wie auch immer die Antwort lautet, sollte es eine geben, glaube ich, dass z.B. ein tool wie Facebook für Unternehmen genauso angesehen werden muss, wie ein Telefon. Es ist ein Kommunikations-Werkzeug, dass anders genutzt wird und einen anderen Nutzen haben wird, aber es bleibt ein Werkzeug. Wenn es den Unternehmenszielen dient, wenn es die Mitarbeiter nutzen, dann wird es bald Bedingung und Basis bei der Anstellung von neuen Mitarbeitern – genauso wie man davon ausgeht, dass jemand in der Lage ist zu telefonieren.

  10. Rainer Helmes

    Ich habe den Eindruck, dass wir hier verschiedene Dinge diskutieren und vielleicht sogar aneinander vorbei reden.Klar ist, dass wir als Privatperson anders kommunizieren, als wenn wir als Vertreter von xy auftreten. Das gilt immer und überall – online wie offline – und hat noch gar nichts mit ‚Social Media‘ an sich zu tun.Richtig ist auch, dass die Benutzung des Telefons etwas anderes ist, als die ‚many-to-many-Kommunikation‘ mit Twitter oder Facebook; ersteres ist ‚gewachsener‘ Bestandteil mit gesellschaftlich etablierten und akzeptierten Regeln, letzteres ist für uns alle Neuland – Regeln entwickeln sich gerade erst… (hier brauchen Unternehmen auch einen gewissen Mut, Neues auszuprobieren und sich auf Neues einzulassen).Ich sehe es ähnlich wie Mirko Lange. Unternehmen sollten m.E. Guidelines („Regeln“) für alle erdenklichen Kommunikations-Werkzeuge aufstellen, so dass die MA – evtl. nach einer Schulung oder Einweisung – alle Kommunikationskanäle – ich vermeide hier bewusst den Begriff ‚Social Media‘ – eigenverantworlich nutzen können, und zwar so, wie sie die Kanäle für ihre Aufgabe benötigen.Eine Notwendikeit für eine spezielle ‚Social Media Abteilung‘ kann ich nicht erkennen. Welche Aufgaben sollte eine solche Abteilung haben? Welchen Platz im Organigramm könnte eine solche Abteilung einnehmen?@Paul Fritze: ich denke, wir sollten unter ‚Social-Media-Tools‘ die Werkzeuge zusammenfassen, mit denen wir mit anderen in einen Dialog eintreten – egal ob ‚one-to-one‘, one-to-many‘ oder was auch immer … dann passt auch das Telefon unter ‚Social Media‘.

  11. Paul Fritze

    @Rainer Helmes: Ich gehe mit den meisten Aussagen überein, nur der Vergleich eines einzelnen tools (Telefon) mit vielen anderen tools (Social Media Platformen) passt m.E. nicht, sondern gehört getrennt betrachtet. Interessant finde ich das Telefon auch unter Social Media einzuordnen, womit die ursprüngliche Aussage nicht mehr funktioniert, da dieses darin, soweit ich es verstehe, keine Platz findet, sondern ausserhalb von Social Media betrachtet wird. In jedem Fall eine spannende Diskussion (vor allem über Sichtweisen auf das Thema), die hier zugegebenermaßen ein paar unterschiedliche Schauplätze einnimmt…

  12. Rainer Helmes

    @paulfritze stimmt, wir vermischen viele Aspekte von ‚Social Media‘, die wir getrennt diskutieren sollten; das Thema wird uns auch noch weiter begleiten und ich freue mich auf weitere interessante und spannende Diskussionen zu den verschiedenen Sichtweisen … (hier und anderswo, denn das ist ja der eigentliche Sinn von Social Media :-))

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