23/06/2022 Dr. Dominik Faust

Auferstehung der Rüstungsindustrie

ILA Berlin: Noch vor Wochen galt die Branche bei Banken als sozial schädlich

Rüstungsindustrie

In die Rüstungsindustrie wollten Banken und Versicherungen noch vor Wochen keinen Pfifferling mehr investieren. Denn die EU-Kommission will diese Firmen auf eine Negativliste sozial schädlicher und damit nicht nachhaltiger Unternehmen setzen. Doch Putins Feldzug gegen die Ukraine hat das Blatt gewendet. Auch institutionelle Anleger interessieren sich wieder für die Aktien von Rheinmetall, Hensold & Co. Auf der derzeit stattfindenden Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung ILA in Berlin finden Firmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hohe mediale und fachliche Aufmerksamkeit aus dem In- und Ausland. Größter Einzelaussteller ist die Bundeswehr (Luftwaffe), die eigenen Angaben zufolge 27 Waffensysteme präsentiert.

Die deutschen Streitkräfte stellen die gezeigten Systeme freilich nicht selbst her. Deshalb sind neben der Bundeswehr auch die entsprechenden Hersteller vor Ort. Nach der Corona-Zwangspause können sie die ILA endlich wieder mit allen Sinnen erleben. Das ist gut so, denn die digitale Version 2022 war ein Flop. Die Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie erwirtschaften hierzulande immerhin noch jährlich über zwölf Milliarden Euro an direkter Bruttowertschöpfung und beschäftigen direkt über 135.000 Menschen.

Rüstungsindustrie sozial nicht nachhaltig?

Doch die Branche entwickelte sich hierzulande in den 90er Jahren stark zurück und stagniert seit einigen Jahren mit weiterhin leicht rückläufiger Tendenz. Viel Know-how ist ins europäische Ausland abgewandert. In der Luft- und Raumfahrtbranche erfolgte der Transfer insbesondere hin zu französischen Unternehmen. Jetzt steht auch der in Deutschland verbliebene Rest mit knapp 220 Firmen auf der Kippe. Grund dafür ist ein Thema, das mittlerweile der zweitgrößte Treiber von Transformationen nach der Digitalisierung ist: Das Thema Nachhaltigkeit. Nachhaltiges Handeln von Firmen wird bekanntlich unter ökologischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten (ESG) bewertet. Während ökologische Kriterien weitgehend objektiv definiert werden können, unterliegen soziale Kriterien auch subjektiven Bewertungen.

Unternehmen der Rüstungsindustrie haben nach Angaben ihres Verbandes BDSV schon seit längerer Zeit damit zu kämpfen, dass ihnen Banken Kredite verweigern, weil sie sie als sozial schädlich und damit als nicht nachhaltig einstufen. Der BDSV-Präsident und CEO von Rheinmetall, Armin Papperger, spricht sogar von „einer großen Zahl von Banken und Investmentsfonds in Deutschland“, die „für sich beschlossen haben, im Sinne einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Geschäftspolitik solche Kunden, die sich der Ausrüstung unserer Sicherheitsorgane und Streitkräfte widmen, nicht mehr zu bedienen.“ Selbst Kreditinstitute mit staatlichen Eigentümern wie die Bayerische Landesbank berufen sich dabei auf eigene (subjektive) Einschätzungen sowie auf die schlechte Bewertung der Sozialverträglichkeit durch die sogenannte „Plattform für Nachhaltige Finanzierung“.

Nachhaltigkeit gibt es nicht ohne Sicherheit

Bei Letzterem handelt es sich um ein ständiges Expertengremium der EU-Kommission. Besetzt ist es mit institutionellen Vertretern, Sachverständigen aus Finanz- und Nichtfinanzmärkten, der Zivilgesellschaft sowie mit Forschungseinrichtungen. Das Gremium hat Unternehmen der Rüstungsindustrie unter dem Aspekt der sozialen Taxonomie auf eine Negativliste gesetzt. Diese Stigmatisierung weist der BDSV zurück. „Durch die Ausrüstung von Militär und Sicherheitskräften tragen unsere Unternehmen fundamental zur äußeren wie inneren Sicherheit der Bundesrepublik bei“, heißt es in einem aktuellen Papier des Verbandes.

Dass es Nachhaltigkeit nicht ohne Sicherheit gibt, zeigt sehr eindrücklich der völkerrechtswidrige Angriff Russlands gegen die Ukraine. Viele Menschen in Europa haben diesen Zusammenhang in den vergangenen Jahrzehnten aus den Augen verloren. Auch Menschen, die heute in Gremien sitzen, die über Kriterien für soziale Nachhaltigkeit nachdenken. Deren Aufgabe ist wichtig. Aber vielleicht sollten sie sich gelegentlich mit Kompetenzen aufladen, über die sie selbst nicht verfügen. Verantwortliche in der schwedischen Großbank SEB haben das offensichtlich getan. Das Institut hat bereits kurz nach Beginn des Russlandkrieges sein selbst auferlegtes Verbot von Investitionen in Waffen aufgehoben.

Rüstungsbranche auf der ILA noch bis Sonntag

Vielleicht können sich davon auch auf der diesjährigen ILA in Berlin noch ein paar Verantwortliche von Banken und Versicherungen überzeugen. Die 550 Aussteller aus 29 Nationen stehen ihnen bestimmt gerne für Gespräche und Live-Vorführungen zur Verfügung. Lockheed Martin ist übrigens mit dem Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 vor Ort vertreten. Mit dieser Maschine will die Bundeswehr aus Mitteln des 100 Milliarden Euro starken Sondervermögens ihre alten Tornados ablösen. Das Titelbild zeigt ein F-35-Modell, das Lockheed 2007 auf der Paris Air Show in Le Bourget präsentierte.

Titelbild: © Faust / viadoo GmbH

, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Dr. Dominik Faust

Der Autor verbindet operative Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz sowie zertifizierte Veränderungs-Kompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise. Er verfügt über langjährige Expertise und etliche Zertifikate in Change Leadership, Change Management, digitaler Kommunikation und Facilitation. Als Führungskraft (+70 MA) und Top-Management-Berater hat er bereits zahlreiche Wandelvorhaben erfolgreich initiiert und konzipiert. Dominik promovierte über notwendige Veränderungen internationaler Organisationen zur Steigerung ihrer Effektivität und Effizienz. Auf Basis seiner breiten theoretischen und praktischen Change-Expertise berät er im viadoo-Team erfolgreich Führungskräfte auf C-Level.