Weil die USA anderen Ländern in Sachen Medienmanagement und Markenmanagement häufig voraus sind, beobachten wir von viadoo die Entwicklungen dort seit Jahren aufmerksam. Aktuell ist uns ein Beispiel für Brand Management aufgefallen, das vor allem auf Mitmenschlichkeit basiert. Im Mittelpunkt steht das Beerdigungsinstitut Ramsey-Young aus Kentucky. Es sollte einen Vietnam-Veteranen beerdigen, der keine Angehörigen mehr hatte. Weil er es für unangemessen hielt, den Kriegsteilnehmer auf dessen letzten Weg alleine zu lassen, rief Bestatter-Chef Shane Young via Facebook dazu auf, den Verstorbenen zu begleiten. Was dann geschah, war sensationell.
Der Hintergrund der Geschichte
Den Erfolg der Story kann man erst verstehen, wenn man ihren Hintergrund kennt. Im November 2013 begann der US-Nachrichtensender CNN mit einer mehrmonatigen Berichterstattung darüber, dass ehemalige Soldaten in den Spezialkrankenhäusern der Veterans Administration (VA) unzureichend behandelt würden. Im Vordergrund standen extrem lange Wartezeiten für Behandlungen, die über 1.000 Veteranen das Leben gekostet haben könnten. Das ergab ein vor einem Jahr veröffentlichter Bericht des republikanischen Senators Tom Coburn (Oklahoma). Im Juli dieses Jahres griff der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump diese Diskussion mit einem Angriff auf den ebenfalls republikanischen Senator John McCain (Arizona) wieder auf:
The Veterans Administration is in shambles and our veterans are suffering greatly. John McCain has done nothing to help them but talk.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) July 19, 2015
Seither ist die Sensibilität für Themen über den Umgang mit Veteranen in der amerikanischen Öffentlichkeit noch einmal gestiegen.
Der Vietnam-Veteran Don Kaas
Am 29. Juli dieses Jahres starb just in einem dieser umstrittenen VA-Krankenhäuser in Lexington (Kentucky) der 66-jährige ehemalige Angehörige der US-Navy Don Kaas, geboren am 24. Mai 1949 in Chicago. Nachdem er keine Angehörigen mehr hatte, beauftragte die Kommune das ortsansässige Beerdigungsinstitut Ramsey-Young mit dessen Beisetzung. Zum Leistungsspektrum des Instituts gehört ein Angebot speziell für Veteranen. Nämlich die Military Funeral Honors (MFH) Zeremonie mit militärischen Ehren wie der Übergabe der US-Flagge an die Angehörigen, Salutschüsse etc.
Die Initiative auf Facebook
Üblicherweise postet das Bestattungsinstitut auf Facebook nur nüchtern die Namen von Verstorbenen sowie deren Geburts- und Sterbejahr. Am 11. August wich Inhaber Shane Young jedoch von dieser Regel ab. In einem sehr persönlichen und emotionalen FB-Post berichtete er darüber, dass Don Kaas keinen Angehörigen übergeben werden konnte. Außerdem sei er der Ansicht, dass man sich um Kaas zu dessen Lebzeiten nicht ausreichend gekümmert habe. Deshalb wolle er ihm eine angemessene Beerdigung auf dem Camp Nelson Nationalfriedhof zuteilwerden lassen.
»It has bothered me and everyone else here that he was not respected or cared for enough while living but we will do everything in our power to make sure we honor him in a distinguished way. We are having a graveside service […] complete with military rites. I am inviting everyone who has time or would like to attend the service and show that veterans do matter and will never be forgotten.«
Der Facebook-Eintrag von Shane Young mit dem grundsätzlichen Bekenntnis zu Veteranen teilten über 4.300 Nutzer. Diese Reichweite war eine erste positive Auswirkung für das Image des Bestattungsunternehmens. Einen Tag später berichtete Young ebenfalls auf Facebook, dass etliche Menschen seinem Unternehmen aus Dankbarkeit für sein Engagement für den Ex-Soldaten Kaas Geld spenden wollten. Das lehnte der Bestatter jedoch ab und ermunterte die Spender, lieber jene Menschen zu unterstützen, die sich täglich um Veteranen kümmerten. Auch dafür bekam er im Netz wieder viel Anerkennung.
Hunderte erweisen letzte Ehre
Am vergangenen Donnerstag kamen schließlich mehrere hundert Menschen auf den rund 40 Autominuten südwestlich von Lexington gelegenen Friedhof zusammen. Darunter befanden sich beeindruckend viele Veteranen auf Motorrädern, eskortiert von Polizeifahrzeugen. Der Andrang war so groß, dass etliche Besucher ihre Autos und Bikes auf der nahe gelegenen Staatsstraße 27 abstellen mussten. Die Beisetzung von Don Kaas, die ohne den Aufruf von Shane Young via Social Media im Stillen vonstatten gegangen wäre, erreichte innerhalb von nur zwei Tagen eine so große Dimension, dass sogar der örtliche TV-Nachrichtensender Lex18 darüber berichtete (https://www.lex18.com/clip/11762421/big-turnout-for-veterans-funeral#).
Brand Management via TV und Online
Sowohl der 2-minütige Fernsehbeitrag (on air und online) als auch der Post auf der FB-Seite des NBC-Ablegers (siehe unten) katapultierte die Awareness des Bestattungsinstituts mit seinem Spezialangebot für Veteranen noch einmal gewaltig nach oben. Allein der Lex18-Facebook-Post erntete fast 20.000 Likes. Außerdem teilten ihn über 26.000 Nutzer.
»The funeral procession for a Navy veteran with no known family consists of hundreds of strangers, giving him a fitting sendoff. Josh Breslow is on scene and will have the latest on LEX 18 News at 12:30.«
Posted by LEX 18 on Donnerstag, 13. August 2015
Shane Young hat mit seiner Aktion dafür gesorgt, dass Hunderte Mitmenschen einen Mann ohne Angehörige auf seinem letzten Weg begleiteten. Gleichzeitig lieferte er ein schönes Beispiel für Brand Management, das den Bekanntheitsgrad seines Unternehmens erhöhen und das positive Image seiner Marke stärken konnte. Bei ihm stehen nicht nur buchstäblich der Mensch, sondern ganz offensichtlich auch die Menschlichkeit im Mittelpunkt.
Titelfoto: Lex18 / Cordillera Communications / Evening Post Industries