Startups sind innovativ, dynamisch und in der Regel mittellos. Ihren Finanzbedarf haben früher Banken und Sparkassen gedeckt. Heute gibt es Inkubatoren, Venture Capitals, Business Angels, Accelerator, Company Builder, Crowdfunder. Seit wenigen Jahren kommen Geldgeber für Startups auch aus der Medienindustrie, insbesondere aus der Reihe der Top 10 Medienkonzerne Deutschlands. In einer zweiteiligen Serie stellen wir zunächst einschlägige Inkubatoren der Medienbranche vor, der zweite Teil widmet sich dem Thema Accelerator. Wir klären die Unterschiede, wer dahinter steckt, welche Investment Strategien sie haben und wie bzw. mit wieviel Geld sie Startups unterstützen.
Inkubatoren sind Unternehmen, die sich an Startups bereits in der Scratch- oder Seed-Phase finanziell beteiligen, ihnen Infrastruktur, eigene Kompetenzen sowie Zugang zu ihren Netzwerkpartnern zur Verfügung stellen. Der derzeit bekannteste Online-Inkubator in Deutschland ist die 2007 von Marc, Alexander und Oliver Samwer gegründete Rocket Internet SE mit Sitz in Berlin. Zu ihren Beteiligungen gehören Marken wie Zalando, Home24 und Westwing. In der Medienbranche tummeln sich ebenfalls einige Startup-Brutkästen, wie die folgende Auswahl zeigt.
Inkubator für Media-for-Revenue-Share & Media-for-Equity-Share
Die SevenVentures GmbH ist eine 100-prozentige Tochter des drittgrößten privaten Medienkonzerns in Deutschland, der ProSiebenSat.1 Media SE. SevenVentures fördert vorrangig Online-Startups, die bereits eine gewisse Marktreife erreicht haben. Denn das Geschäftsmodell besteht darin, den Startups Werbezeiten in den Konzern-eigenen Online-Plattformen und Fernsehsendern (ProSieben, SAT.1, kabel eins, sixx, SAT.1 Gold, ProSieben MAXX) gegen Beteiligungen entweder am Umsatz (Media-for-Revenue-Share) oder am Stammkapital (Media-for-Equity-Share) zur Verfügung zu stellen. Die potenzielle Reichweite für die Startups beträgt über die European Media Alliance 200 Mio. Haushalte in Europa. Dieses Beteiligungsmodell verdeutlicht unter anderem, wie TV-Anbieter von E-Commerce profitieren können. Die SevenVentures GmbH verantwortet die E-Commerce-Angebote der Sendergruppe.
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Inkubator der Bauer Media Group
Im August 2014 legte die Bauer Media Group, auf Platz 5 der größten privaten Medienkonzerne des Landes, einen Fons in Höhe von 100 Millionen Euro zur Förderung von Startups auf. Der Fokus der Bauer Venture Partner GmbH in Hamburg liegt primär auf Digital Media, Content Platforms, Consumer Apps, E-Commerce Marketplaces, Consumer Finance, Content Management, Advertising & Marketing. Ihr Credo: „We love Mobile, data-driven, scaling through technology“.
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Brutkasten für Flixbus, Audible & Co.
Im Jahre 2000 betrat HV Holtzbrinck Ventures Adviser GmbH als Ausgründung des sechsgrößten Medienkonzerns in Deutschland, der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (GvH), den VC-Markt. Seit 2010 und damit ein Jahr nach der Umstrukturierung der Verlagsgruppe GvH, agiert die Kapitalgesellschaft eigenständig. Investiert hat Holtzbrinck Ventures unter anderem in bekannte Marken wie Flixbus, Zalando, Experteer, Parship oder Audible. Zuletzt beteiligte sich Holtzbrinck Ventures an der bereits erwähnten Rocket Internet SE der Samwer-Brüder.
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Brutkasten der Dieter von Holtzbrinck Medien
Die Dieter von Holtzbrinck Ventures GmbH wurde 2014 gegründet. Die Corporate Venture Capital Gesellschaft flankiert nach eigenen Angaben „die digitalen Entwicklungen der Beteiligungsunternehmen“ der Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH (DvH Medien). Dazu zählen die Verlagsgruppe Handelsblatt in Düsseldorf (Handelsblatt, Wirtschaftswoche), der ZEIT Verlagsgruppe in Hamburg und der Tagesspiegel-Gruppe in Berlin. Genau im Zugang zu diesen Medien bzw. ihren Nutzern u.a. in Form von Medialeistungen liegt der Mehrwert, den auch DVH Ventures Startups bietet.
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Inkubatoren weiterer Medienhäuser
Abseits von den großen Konzernen der Medienbranche investieren auch kleine, mittelständische Medienunternehmen in Startups. Eines davon ist die Vogel Business Medien GmbH & Co. KG (VBM) aus Würzburg. In ihrer Berliner Tochter Vogel Ventures GmbH bündelt sie seit rund eineinhalb Jahren ihre Investitionen in Startups. Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Inkubatoren und Medienkonzernen verfügt VBM als Business Information House nicht nur über 100 Fachpublikationen, sondern über riesige, branchenspezifische Datenmengen. Der Grundstein für diese Big-Data-Sammlung reicht über 120 Jahre zurück. Damals gründete Carl Gustav Vogel ein Anzeigenblatt namens MM Maschinenmarkt, legte eine Adressdatei mit Karteikarten auf, akquirierte zielgruppenspezifische Anzeigen und garantierte durch seine Papier-Datenbank, dass die Werbung bei den Zielgruppen ankam. In die digitale Welt von heute übertragen, würde der damalige Streu- und Wechselversand („controlled circulation“) dem Prinzip von Internetsuchmaschinen wie Google entsprechen.
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Ein weiteres Projekt abseits der Top 10 Medienkonzerne ist Flying Elephant Media Force, ein Förderprogramm des primär Technologie-getriebenen Berliner Investors WestTech Ventures GmbH. Das Besondere am Inkubatoren des fliegenden Elefanten ist die Ausrichtung auf mediennahe Startups. Dafür gibt es einen guten Grund, denn das Unternehmen selbst hat ebenfalls einen medialen Hintergrund. Es handelt sich nämlich um eine Ausgründung der S&S Media Group, eines Medienhauses für die IT-Industrie. 2013 bündelte S&S-Gründer Masoud Kamali in WestTech die bereits seit 2008 getätigten Investments seines Frankfurter Corporate Publishing House.
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Bertelsmann, Springer, Burda, Funke
An der bisherigen Liste fällt auf, dass die beiden größten privaten Medienkonzerne des Landes, Bertelsmann und Axel Springer, nicht aufgeführt sind. Auch der viertgrößte private Medienriese, die Hubert Burda Media, fehlt. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Während Burda gar keinen Brutkasten haben will, haben Bertelsmann und Springer ihre Inkubatoren bereits wieder eingestellt. So beendete Bertelsmann bereits vor über einem Jahr sein erst 2012 gestartetes Intrapreneur-Programm namens Bevation. Damit förderten die Gütersloher Startups, bei denen Bertelsmann-Mitarbeiter Gründerfunktionen übernahmen.
Kapitalflüsse in Startups gab es nicht, das mag der 2006 gegründeten Bertelsmann Digital Media Investments Inc. (BDMI) vorbehalten sein. Rund ein halbes Jahr nach Bertelsmann machte auch der zweitgrößte private Medienkonzern des Landes, die Axel Springer SE, seinen Inkubator namens Ideas Ventures zu. Springer bleibt aber über seine Beteiligung am Projekt A im Inkubator-Geschäft. Auch von der Funke-Gruppe (Platz 7) sind aktuell keine Brutkasten-Aktivitäten bekannt. Aus dem bereits 2008 (!) mit Madsack zu gleichen Teilen gegründete MediaLab hat sich Funke 2013 wieder zurückgezogen.
Return on Investment
Inkubatoren brauchen eigentlich einen langen Atem. Denn die Profitabilität von Startups lässt unter Umständen auf sich warten. Das Portfolio von Rocket Internet liefert dafür etliche Beispiele. Eines davon ist Europas größter Online-Modehändler Zalando. Der E-Commerce-Riese wurde 2008 gegründet, wuchs schnell im Umsatz, schrieb jedoch erst 2015 erstmals in einem ersten Quartal schwarze Zahlen. Ähnliche Erfahrungen mussten manche Firmen bereits zur Jahrtausendwende machen, als schon einmal kräftig in die New Economy investiert wurde.
Doch was treibt Medienkonzerne an, sich als Inkubatoren zu betätigen? Im Vordergrund stehen natürlich wirtschaftliche Interessen. Die Investitionen sollen sich am Ende auszahlen, zumindest in der Summe. Aber es gibt noch andere Motivationen. Eine besteht in der Erkenntnis, dass große Organisationen nicht über die Innovationskultur sowie über die Veränderungskompetenz verfügen, die in einer Zeit technischer Umbrüche und innovativer Disruptionen überlebensnotwendig geworden sind. Die gilt auch und gerade für Medienunternehmen. Indem sie sich nun an Startups beteiligen, können sie sowohl von deren Entwicklungen etwa in Form neuer Geschäftsmodelle profitieren als auch von deren Unternehmens- und Unternehmerkultur. Dies stärkt mittel- bis langfristig ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Titelbild: Anne-Lise Heinrichs (http://www.flickr.com/photos/snigl3t/414712990/) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
Update: In der ersten Version dieses Posts fehlte zunächst die Bauer Venture Partners GmbH.