Im digitalen Zeitalter sind innovative Produkte, die schnell auf den Markt kommen, der Schlüssel zum Erfolg. Häufig schlummert unter den Beschäftigten ein großes Potenzial an Ideen. Doch es wird noch allzu oft allenfalls durch ein standardisiertes betriebliches Vorschlagswesen gehoben. Oder es gibt mäßig genutzte „Inspiring Lunches“ und Ideen-Bäume, wie Stephan Zech, Geschäftsführer Funke Digital TV Guide, letztes Jahr auf den Medientagen sagte. Und ebenso regelmäßig bekommen die Ideengeber das berühmte „Ja, aber …“ zu hören, gefolgt von endlosen Gründen, warum sich eine Idee nicht realisieren lässt. Bei modernen Firmen läuft das anders. Sie verfügen über Intrapreneurship-Programme, Innovation Labs bzw. Digital Units, sind agil organisiert und wenden die Methode / das Tool „Innovation Funnel“ an. Ein Beispiel dafür ist die im Jahr 2000 gegründete Daimler Fleetboard GmbH mit ihrem Innovation Hub, den die Firma im September 2016 in Berlin gründete. In München stellte das Unternehmen kürzlich dessen Arbeitsweise vor.
Schon immer steht die Forschung und Entwicklung innovativer Produkte, Prozesse und Services im Zentrum erfolgreicher Unternehmen. Doch früher endete das Innovationsmanagement häufig erst, als eine „Goldrandlösung“ entwickelt war. In der digitalen, globalen und damit wettbewerbsintensiven Welt müssen Innovationsprozesse einerseits deutlich schneller und andererseits deutlich iterativer bzw. agiler ablaufen. Eine bei Startups bewährte Methode dafür ist der Innovations-Trichter mit mehreren Phasen:
1. Ideation: Keine Denkverbote, jede Idee zählt
Oben am Trichter werden zunächst einmal Ideen gesammelt. In dieser ersten Phase des Innovationsprozesses gibt es keine Denkverbote, Ideen werden nicht bewertet. Entscheidend ist der feste Blick auf die Kunden und ihre Bedürfnisse sowie auf technische Entwicklungen. Daraus lassen sich grundsätzlich die folgende Potenziale für Innovationen ableiten:
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- Nicht erfüllte Kundenbedürfnisse, die häufig von Startups aufgegriffen werden, wie wir bereits häufig in diesem Blog gezeigt haben.
- Neue technische Entwicklungen, die sowohl dabei helfen, bestehende Kundenprobleme zu lösen, als auch neue Nachfragen zu generieren.
- Neue Geschäftsmodelle, mit denen sich neue Märkte und Anspruchsgruppen erschließen lassen.
Auch die Daimler Fleetboard GmbH orientiert sich in ihrem Innovation Hub bei der Ideensammlung grundsätzlich an diesen Innovationspotenzialen. Ideen kommen dabei nicht nur aus dem Kreis der rund 200 Beschäftigten, die sich aus Fahrzeug-Ingenieuren, IT- Spezialisten, Scrum-Master, User Experience Designer, Experten auf den Fachgebieten Artificial Intelligence, Big Data Analytics und Design Thinking zusammensetzen. Vielmehr zieht das Team auch Partner und Kunden hinzu. Mit ihnen steht es in regelmäßigem Austausch und bindet sie in den Innovationsprozess ein.
2. Bewertung: Der „Elevator Pitch“ im Innovation Funnel
Die Bewertung ist zunächst der zweiten Phase des Innovation Funnel vorbehalten. Damit bildet sie quasi die erste Engstelle des Innovations-Trichters. Im Fleetboard Innovation Hub läuft das so: Um ihre Ideen bewerten lassen zu können, müssen sie die Ideengeber in einem „Elevator Pitch“ zusammenfassen. Bei diesem bekannten Format haben die Teilnehmer maximal fünf Minuten Zeit, um ihre Ideen einem crossfunktionalen Gremium vorzustellen. Dieses „Digital Product Team“ (DPT) genannte Gremium setzt sich aus Experten verschiedener Funktionsbereiche von Fleetboard, Mercedes-Benz Lkw, Daimler Financial Services und der IT-Abteilung zusammen. Es bewertet die Ideen nach einer 10-minütigen Frage-und-Antwort-Runde und schickt sie entweder mit qualifizierter Mehrheit weiter durch den Innovation Funnel – oder wirft sie aus dem Trichter raus.
Kriterien für die Bewertung von Ideen sind unter anderem:
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- Kundenfokus
- Lösungsansatz
- Nutzenwahrscheinlichkeit
- Unterschiede zu bestehenden Lösungen
- Erstes Kunden-Feedback
3. Wenn Prototypen den „Shark Tank“ überleben
Wir betrachten aber jene Ideen, die vom Digital Product Team grünes Licht erhalten haben und weiter durch den Innovation Funnel rutschen dürfen. Deren Ideengeber bekommen vier Wochen Zeit, um in einem kleinen, agilen Projektteam einen Prototypen des Produkts zu bauen (z.B. ein Minimum Viable Product, MVP). Gleichzeitig müssen sie einen Business Plan erstellen. Wie Dr. Daniela Gerd tom Markotten (Titelbild), Geschäftsführerin der Daimler Fleetboard GmbH, kürzlich auf einer Veranstaltung in München erklärte, ist es in dieser Phase besonders wichtig, Kundenfeedback einzuholen und die Ideen entsprechend weiterzuentwickeln.
Prototypen sowie Business Pläne werden im nächsten Schritt erneut dem Digital Product Team vorgestellt. Diese Runde nennt Fleetboard „Shark Tank“. Der Name stammt von einer TV-Serie aus den USA, die hierzulande mit der Startup-Serie „Höhle der Löwen“ auf VOX u.a. mit Frank Thelen, Judith Williams, Jochen Schweizer und Carsten Maschmeyer vergleichbar ist. Übrigens nutzt das DPT-Entscheidungsgremium stilecht kleine Haie zur Stimmabgabe bei der Abstimmung über die vorgelegten Prototypen.
4. Produktentwicklung: Feedback der Kunden fließt ein
„Entscheidet die Mehrheit der DPT-Mitglieder, die Idee weiter zu finanzieren, arbeitet das Team das Produkt aus und bringt es an den Markt. So haben wir oft schon nach drei oder vier Monaten ein fertiges Produkt, zum Beispiel eine App oder eine andere Software-Lösung“, so beschreibt Daniela Gerd tom Markotten im Daimler-Blog (wurde 2019 vom Netz genommen) den nächsten Schritt des Innovation Funnel. Allerdings sind die Software-Produkte in dieser Phase des Innovationsprozesses häufig noch unfertig. Gerade im Softwarebereich holen Unternehmen in dieser Phase noch qualifiziertes Feedback von Kunden ein. Ganz im Sinne eines iterativen Vorgehens arbeitet das Team dann die Rückmeldungen ein und modifiziert die Produkte weiter.
5. „Market Entry“: Wenn Ideen Realität werden
Erst danach erfolgt der echte Markteintritt. Bei Fleetboard ging zum Beispiel kürzlich eine neue Software für die Logistikbranche an den Start. Dabei handelte es sich um die Meta-Suchmaschine Nxtload. Sie scannt Onlineplattformen, auf denen Spediteure kurzfristig Güter für ihre Fahrzeuge entlang ihrer Routen hinzubuchen können – etwa, um Leerfahrten zu vermeiden. In einem ersten Schritt konnten Disponenten mit der Software Frachtaufträge suchen und buchen. In einer Weiterentwicklung sollen dann zudem die Fracht- und Routenplanung der Lkw-Fahrer ins System integrieren werden.
Eine Vision sieht sogar vor, dass Ladungen der Zukunft intelligent mit Sensoren ausgestattet sind. So können sie sich in den noch verfügbaren Laderaum eines Lkw einbuchen. Das System prüft dann, ob der zusätzliche Auftrag wirtschaftlich ist, plant den Auftrag ein und sendet die Frachtdaten an den Lkw-Fahrer. Zunächst beteiligten sich an Nxtload die beiden Frachtvermittler Teleroute (27 Niederlassungen in Europa) und Trans.eu (Niederlassungen in zehn Ländern Europas) am digitalen Prototypen. Fleetboard ist darüber hinaus mit Freight Broker, Load Boards und Fright Matching im Gespräch.
Titelbild: © Faust / viadoo GmbH