19/05/2017 Dr. Dominik Faust

Logistischer Maßanzug für „Sissi“ und LTO

Wohin mit den Daten? Das fragen sich angesichts des ständig wachsenden Datenaufkommens immer mehr Unternehmen. Eine innovative Lösung bietet die Schatzkammer der deutschen Filmgeschichte. Wo die Originalbänder von „Sissi“ & Co. sicher und gleichmäßig klimatisiert lagern, ist auch Platz zur externen Archivierung digitaler Datenträger wie LTO. Wir haben uns das Hochsicherungslager einmal näher angesehen.

„Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt“, behaupten viele Firmen. Für einen Kontraktlogistiker allerdings stimmt das in besonderem Maße. Denn die Palette der Kundenwünsche, die er erfüllt, kann sehr breit sein. Stets geht es darum, logistische bzw. logistiknahe Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette eines Kunden zu übernehmen. Auch ausgefallene Wünsche erfüllen die Logistikdienstleister, wie das Beispiel unseres Kunden Beta Film aus Oberhaching bei München zeigt.

Das Unternehmen vermarktet Rechte an Filmen, die es zum größten Teil selbst im Besitz hat. In über 450.000 Filmunits lagern die Originale und einige Kopien von Klassikern der deutschen Filmgeschichte wie „Sissi“ oder „Die Feuerzangenbowle“. Vor drei Jahren stand das Unternehmen vor der Herausforderung, den auf mehreren Standorten verteilten Bestand in ein gemeinsames Lager umziehen zu müssen. Gesucht wurde eine Halle, die für die langfristige und schonende Aufbewahrung der Schätze ausgestattet war. Doch ein finanziell attraktives Objekt war weit und breit nicht in Sicht. Schließlich erklärte sich der Logistikspezialist LOXXESS dazu bereit, im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages ein bestehendes Gebäude in Dieburg bei Frankfurt so nachzurüsten, dass es den Anforderungen von Beta Film genügte.

Modernes Hochsicherungslager

Zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine sachgerechte Lagerung von Filmmaterial zählt, dass kein natürliches Licht eindringen darf. Deshalb ist das Archiv völlig abgedunkelt. Außerdem sorgen die komplette Dämmung sowie eine neue Klimaanlage für eine gleichbleibende Temperatur von 13,5 Grad (+/- 2 Grad) und für eine niedrige relative Luftfeuchtigkeit. Größte Bedeutung hat darüber hinaus der Brandschutz des Archivs. Er entpuppte sich als eine große Herausforderung:

„Wir mussten berücksichtigen, dass das Filmmaterial nicht mit Löschwasser oder Löschschaum in Berührung kommen darf. Die Lösung bestand darin, Stickstoff als Löschmittel heranzuziehen“, erklärt Patrick Mense, Mitglied der Geschäftsleitung der LOXXESS AG. Das Gas reduziert den Luftsauerstoffgehalt und erstickt Brände auf diese Weise. Genau das ist aber für Menschen lebensgefährlich. Deshalb musste der Logistiker im weiteren Verlauf der Nachrüstung der Halle darauf achten, mit dem Löschgas sowohl im Regelbetrieb als auch im Einsatzfall richtig umzugehen.

„Wir installierten einen Stickstofftank mit einem Fassungsvermögen von 30 Tonnen“, berichtet Standortleiter Thomas Lewis beim Tag der Logistik. Im Brandfall würde die Anlage in den ersten zwei Minuten 18 Tonnen in die Halle pumpen und in den folgenden 20 Minuten noch einmal fünf Tonnen nachfluten. Dadurch würde jedes Feuer erlöschen. Anschließend würde das Gas kontrolliert aus der Halle gesaugt und so verdünnt, dass es keine Gefahr für Leib und Leben darstellte. „In enger Kooperation mit örtlichen Institutionen wie der Feuerwehr, dem Brand- u. Katastrophenschutz sowie anderen Genehmigungsbehörden entwickelten wir ein Konzept, das alle Eventualitäten berücksichtigt“, erinnert sich Lewis.

Ideal für Archivierung von LTO-Bändern

Am Ende hatte der Kontraktlogistiker für rund zwei Millionen Euro ein Hochsicherungslager geschaffen, das nun auch für andere Kunden interessant geworden ist. Zum Beispiel für Firmen, die ihr digitales Datenarchiv aus Sicherheitsgründen außerhalb ihrer Immobilie lagern wollen. Der Bedarf ist da, denn das „Digitale Universum“ verdoppelt sich alle zwei Jahre. Allein in Deutschland wird das Datenvolumen nach Ansicht von Experten bis 2020 von derzeit rund 250 auf 1.100 Exabyte steigen. Damit wächst die Menge aufbewahrungspflichtiger oder aufbewahrungswürdiger Informationen und Dokumente von Organisationen und Unternehmen. Häufig reichen die vorhandenen Archive im eigenen Hause nicht aus. Oder sie entsprechen nicht den geltenden Standards.

Das Hochsicherungslager in Dieburg bietet hierfür eine Lösung. Es eignet sich zum Beispiel für die revisionssichere Archivierung von LTO-Bändern. Die Linear Tape Open (LTO) sind Magnetbänder, die bis heute als zuverlässige Datenträger für Langzeitarchive gelten. Etliche davon lagern bereits in Dieburg. Sie lassen sich datenbankgestützt wieder auffinden, weil der Betreiber sie nachvollziehbar, unveränderbar und verfälschungssicher archiviert. Mit der revisionssicheren Offsite-Archivierung von LTO in Dieburg können Unternehmen sogar den Vorgaben zur Compliance von Informationssystemen in Organisationen bzw. Unternehmen sowie zum Enterprise Information Management (EIM) entsprechen.

LTO

Reichlich Platz für LTO-Bänder bietet das Hochregallager in Dieburg. Foto: © Faust / viadoo GmbH

LTO können neben „Sissi“ schlummern

Dass das Archiv über 400 Kilometer vom Firmensitz der Beta Film GmbH entfernt liegt, ist für Geschäftsleiter David Kratz kein Problem: „Wir haben hier kein Backup, auf das jederzeit zugegriffen werden muss, sondern ein Archiv. Unsere Bestände ruhen vorwiegend, sie werden kaum bewegt“, erklärt er. Und selbst wenn ab und zu ein Film rasch etwa von einem Fernsehsender benötigt wird, finden die Loxxess-Mitarbeiter das Band mittels der Lagerverwaltungssoftware innerhalb kürzester Zeit (Mensch-zur-Ware-System). Sie liefern es dann innerhalb weniger Stunden an das von Beta Film gewünschte Ziel innerhalb Deutschlands.

Vor diesem Hintergrund scheint es grundsätzlich eine gute Option für Unternehmen zu sein, ihre Datenschätze neben „Sissi“ & Co. zu archivieren. Sollten dazu bestehende Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, dürfte der Kontraktlogistiker auch dafür die passenden Lösungen finden.

Fotos: © Faust / viadoo GmbH

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Dr. Dominik Faust

Der Autor verbindet operative Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz sowie zertifizierte Veränderungs-Kompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise. Er verfügt über langjährige Expertise und etliche Zertifikate in Change Leadership, Change Management, digitaler Kommunikation und Facilitation. Als Führungskraft (+70 MA) und Top-Management-Berater hat er bereits zahlreiche Wandelvorhaben erfolgreich initiiert und konzipiert. Dominik promovierte über notwendige Veränderungen internationaler Organisationen zur Steigerung ihrer Effektivität und Effizienz. Auf Basis seiner breiten theoretischen und praktischen Change-Expertise berät er im viadoo-Team erfolgreich Führungskräfte auf C-Level.