Diesel-Skandal bei Volkswagen, Glyphosat-Skandal bei Bayer, Hygiene-Skandal bei Tönnies, Bilanz-Skandal bei Wirecard: Auch im Jahr 2020 wurden wieder unternehmensbezogene Normverstöße begangen. Doch aufgrund des Opportunitätsprinzips sind Staatsanwaltschaften nicht verpflichtet, jeden Fall zu verfolgen. Das will die Bundesregierung ändern. Im Sommer hat sie den Entwurf ihres Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) eingebracht. Das damit verbundene neue Unternehmensstrafrecht soll 2021 verabschiedet werden. Firmen hätten dann noch zwei Jahre Zeit, um ein Compliance-System einzuführen. Für den Umweltschutz wären das zum Beispiel Environmental-Compliance-Regeln. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass diese Regeln im Falle eines Umweltdeliktes sanktionsmildernd wirken. Über diesen fachlichen Change und seine Folgen für Betroffene sprachen wir mit dem renommierten Fachanwalt für Umweltrecht, Stephan Jäger.
In Environmental Compliance Regeln legen Unternehmen fest, wer im Betrieb welche Aspekte des Umweltrechts in welchem Umfang verantwortet. Konkret wird die Generalverantwortung der Geschäftsführung für dieses Thema an andere Mitglieder der Geschäftsleitung oder nachgelagerte Führungsebenen delegiert. Es ist leicht nachvollziehbar, dass diese Änderung von Verantwortlichkeiten bei den Betroffenen zumindest viel Unsicherheit erzeugt und nicht zuletzt auch Widerstände hervorruft. Damit der für das Unternehmen essenzielle Change dennoch gelingt, ist es wichtig, die Betroffenen zu überzeugen. Es gilt, Zusammenhänge ausführlich zu erklären und auf ihre möglichen Ängste – etwa auf die Angst davor, persönlich haftbar gemacht werden zu können – einzugehen.
Unternehmensstrafrecht und Umweltschutz
Genau das macht Stephan Jäger mit seinem Team. Er ist Gründer der Kanzlei Jäger Rechtsanwälte mit Sitz in Würzburg, eine der führenden Anwaltskanzleien für Umweltrecht in Deutschland. Zu den Mandanten zählen börsennotierte Unternehmen ebenso wie Einzelkaufmänner und -frauen. Als Fachanwälte für Umweltrecht unterstützt das Team Unternehmen dabei, Environmental-Compliance-Regeln zu erstellen. Das ist nicht trivial, wie Stephan Jäger berichtet:
So sichtet sein Team zunächst Dokumente wie öffentliche Genehmigungen und legt danach ein Kataster mit allen, für das Unternehmen relevanten Umweltrechtsvorschriften an. Es folgt eine Risikoanalyse, in welchen Bereichen und auf welchen Gebieten möglicherweise Rechtsverletzungen geschehen können – und mit welchen Folgen (Sanktionszahlungen, Imageschäden, Vertrauensverlust etc.). Hinzu kommen Organigramme, Verfahrensanweisungen, eindeutig delegierte Verantwortlichkeiten an qualifizierte Fachleute, dokumentierte Schulungen und Stichproben, um nur einige zu nennen.
Keine Ordnungswidrigkeiten mehr
Diese Fülle an Maßnahmen fällt unter den im Gesetzentwurf enthaltenen Begriff der „angemessene Vorkehrungen“, mit denen Unternehmen Straftaten verhindern oder zumindest erschweren. Gemeint sind Rechtsverstöße, die im Unternehmen und aus ihm heraus begangen werden. Dabei handelt es sich sowohl um Straftaten, begangen durch Mitarbeitende, als auch um objektive Pflichtverletzungen von Führungskräften. Bislang werden solche Delikte als Ordnungswidrigkeiten eingestuft, wobei auch heute schon Bußgelder bis zehn Millionen Euro möglich sind. Mit dem neuen Unternehmensstrafrecht sollen die Sanktionen drastischer ausfallen können. So drohen dann zum Beispiel Großunternehmen zehn Prozent ihres weltweiten Konzernumsatzes als Strafmaß.
Hier die Aufzeichnung des kompletten ChangeTALK mit Rechtsanwalt Stephan Jäger:
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