Die Zeit von der Entwicklung neuer Produkte bis zu ihrer Markteinführung (Time-to-Market) ist mitunter sehr lang. Aus ökonomischen Gründen wird es jedoch immer notwendiger, diese Zyklen zu verkürzen. Startups mit großem IT-Entwicklungsanteil machen das vor und richten sogar ihre agile Organisation danach aus. Immer mehr etablierte Unternehmen folgen dem Ziel einer kürzeren Time-to-Market. So hat Daimler-Chef Dieter Zetsche im vergangenen Jahr genau zu diesem Zweck das Programm Fit for Leadership 4.0 aufgesetzt, mit dem bis 2025 vier Milliarden Euro eingespart werden sollen. Rapid Prototyping und andere Methoden helfen dabei, die Entwicklungsprozesse zu verkürzen.
Eine weitere Möglichkeit für eine schnellere Markteinführung sind minimal funktionsfähige Produkte bzw. Minimum Viable Products (MVP). Sie sind nur mit den nötigsten Kernfunktionen ausgestattet, decken aber einen Teil des Bedarfs der Kunden – oder einer Peer-Group. Diese werden ermuntert, Feedback zu geben, auf deren Basis die MVP dann verbessert werden. Bei der Bundeswehr kennt man diesen agilen Ansatz als Teil des Prozesses Concept Development & Experimentation (CD&E). Für erfahrene Ingenieure ist es allerdings nicht immer leicht, Produkte an Kunden zu geben, die aus ihrer Sicht halbfertig sind. Das erfordert einen Change im Denken und Handeln.
Kürzere Time-to-Market dank virtuellem Labor
Für eine schnellere Time-to-Market gibt es aber auch andere Wege, wie ein aktuelles Beispiel von MAN Truck & Bus zeigt. Der Hersteller leichter und schwerer Nutzfahrzeuge sowie Busse möchte künftig noch vor dem Produktionsstart neuer Fahrzeuge Fehler erkennen können. Dazu haben die Münchner ein dreidimensionales Arbeitslabor entwickelt. Die 46 Quadratmeter große CAVE (Cave Automatic Virtual Environment) ist mit fünf Hochleistungsrechnern inklusive High-End-Grafikkarten, Infrarotkameras und Stereoprojektoren mit 2K-Bildauslösung für vier Großleinwände ausgerüstet (vgl. Foto oben).
CAVE ermöglicht Länder-übergreifende Kooperation
Nach Angaben des VW-Tochterunternehmens wird in der CAVE rund die Hälfte aller möglichen Mängel erkannt. Etwa ein Jahr vor Beginn des tatsächlichen Bauprozesses können sich die Entwickler im Vorseriencenter mit Controller und 3D-Brille virtuell durch das exakte Abbild des neuen Lkw- oder Busmodells bewegen und wichtige Fragen frühzeitig klären. Angesichts dieser Vorteile haben sich die Investitionskosten für eine CAVE in Höhe von rund 500.000 Euro schnell amortisiert. MAN betreibt mittlerweile mehrere CAVEs, die zudem miteinander vernetzt sind. Dadurch können Kollegen auch aus unterschiedlichen Ländern gleichzeitig an einem virtuellen Modell arbeiten.
„Die virtuelle Realität hat den Vorteil, dass wir mit ihr Zeit, Material und viel Geld sparen“, bestätigt auch Martin Raichl, Ingenieur im Vorläufer- und Prototypenbau bei MAN. An der Technologie wird weiter gefeilt. Seit Kurzem nutzen die MAN-Ingenieure in der CAVE auch Head Mounted Displays (Virtual-Reality-Brillen), um die Fahrzeuge noch detailgetreuer und realitätsnäher zu erleben. In Zukunft wollen sie damit über ein Ganzkörper-Tracking sogar die körperliche Belastung simulieren, die beispielsweise ein Monteur beim Einbau des Abgasschalldämpfers erfährt.
Sorgfältiges Change-Management notwendig
Ob Virtual Reality, MVP, Rapid Prototyping oder andere Techniken und Methoden zur Verkürzung der Time-to-Market, also der Zeit zwischen Produktentwicklung und Markteinführung. In jedem Fall bedeutet ihre Einführung für die Betroffenen eine Reihe von Veränderung. Aus unserer Berater- und Change-Management-Praxis wissen wir, dass diese Transformationen sorgfältig begründet, gesteuert, kommuniziert und nachhaltig implementiert werden müssen. Dann führen sie auch zum gewünschten Erfolg.
Update am 11.08.2018
Auch die Volkswagen-Tochter Porsche plant ein Programm zur Steigerung der Effizienz bei der Produktentwicklung sowie in der Fertigung. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung will Porsche-Chef Oliver Blume dadurch vom kommenden Jahr an bis 2022 durchschnittlich zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Grund sind Sorgen, die Umsatzrendite könne aufgrund höherer Aufwendungen und geringerer Erlöse im Beich der E-Mobilität auf dann unter 15 Prozent sinken. Nach Berechnungen des Handelsblatts setzt Porsche derzeit mit jedem (Verbrenner-) Fahrzeug durchschnittlich 91.309 Euro um, wovon ein Gewinn in Höhe von 18,4 Prozent oder 16.780 Euro bleibt. Laut Informationen der Stuttgarter Zeitung wird der Sportwagenbauer an einem E-Auto rund 10.000 Euro weniger als an einem Verbrenner verdienen.
Foto: MAN Truck & Bus