400 Journalisten des Internationalen Konsortiums für Investigativen Journalismus (ICIJ) haben ein Jahr lang 2,6 Terabyte Daten durchforstet. Die so genannten Panama-Papers. Dabei handelt es sich um Unterlagen, die der Kanzlei Mossack Fonseca, dem Marktführer in Dienstleistungen rund um Briefkastenfirmen, gestohlen und der Süddeutschen Zeitung (SZ) zugespielt wurden. Zusammen mit rund 100 Medien weltweit wertete die SZ die Daten aus und veröffentlichte sie diese Woche. Das Ergebnis ist nicht nur ein eindrucksvolles Beispiel für Datenjournalismus, sondern auch für die Entwicklung von Medien hin zu Marken. Und der Scoop kann Vorbild für andere Medien sein in Sachen Vermarktung und Markenbindung sowie in Bezug auf die Vernetzung interner und externer Ressourcen.
Panama-Papers fördern Submarken
Natürlich waren viele Medien schon immer auch Marken. Doch die mediale Vielfalt steigt ständig, wozu Player beitragen, die vorher nicht zu den klassischen Medien gezählt werden konnten. Deshalb müssen die etablierten Medien noch mehr als früher in die Vermarktung ihrer Angebote investieren. Sowie in die Loyalität ihrer Nutzer, in die Markenbindung. Die Süddeutsche Zeitung tut das und baut dazu zwei ihrer renommierten Redakteure weiter zu Submarken aus.
Sie werden demnächst die investigative Submarke Hans Leyendecker ablösen. Die beiden preisgekrönten SZ-Journalisten Bastian Obermayer (stv. Leiter des Ressorts Investigative Recherche der SZ) und Frederik Obermaier haben die einjährige Zeit der Datenauswertung genutzt, um ein Buch über „Die Geschichte einer weltweiten Enthüllung“ zu schreiben (erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck). Es kam heute am 6. April auf den Markt, drei Tage nachdem die ersten Erkenntnisse aus den Panama-Papers weltweit veröffentlicht wurden.
Panama-Papers powern Zitate-Ranking
Die SZ hat längst erkannt, dass Medien mit allgemein zugänglichen News langfristig kaum noch Geld verdienen können. Sie baut daher unter anderem auf Exklusivität. Dazu benötigt sie investigative Kapazitäten. Nicht ohne Grund ist sie Teil des 2014 gegründeten Rechercheverbunds mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten NDR und WDR. Exklusivität zählt zum Markenkern der SZ. Und so werden die Panama-Papers in den kommenden Wochen und Monaten reichlich Stoff für viele interessante journalistische Beiträge liefern, wodurch sie zur Markenbindung beitragen.
Die SZ könnte quasi eine eigene Offshore-Rubrik einrichten. Eine eigene Landing-Page für die Panama-Papers existiert bereits. Dass andere Medien über die Enthüllungen der SZ berichten und damit Werbung für sie machen, ist eine im Medienbereich gängige Form des indirekten Marketings. Das Zitate-Ranking ist somit nicht nur ein Ausdruck von Relevanz und Qualität, sondern auch von Markenbildung und Markenbindung. Im 1. Quartal 2016 lag die SZ auf Platz 4 der meistzitierten Medien. Durch die Panama-Papers dürfte sie sich im 2. Quartal verbessern.
Es ist nicht immer alles Panama
Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass nicht alle Medien Kapazitäten vorhalten können, um regelmäßige Exklusivität als Teil ihres Geschäftsmodells zu generieren. Insbesondere lokale und regionale Medien stoßen diesbezüglich schnell an die Grenzen ihrer Ressourcen. Hinzu kommt, dass sie aufgrund ihrer Strukturen vor Ort nicht immer die nötige Distanz zu jenen Objekten haben, die eigentlich Gegenstand investigativer Geschichten sein müssten. Für diese Medien könnten gattungs- und regionenübergreifende Kooperationen nach dem Vorbild von SZ, NDR und WDR eine Alternative darstellen.
Außerdem gibt es mittlerweile professionelle Recherchenetzwerke wie Correctiv, mit denen Medien zusammenarbeiten können. Auch lassen sich nicht alle Rechercheergebnissen wie bei den Panama-Papers zusätzlich in Büchern vermarkten. Doch dafür gibt es soziale Netzwerke sowie Möglichkeiten der Online-, Radio- und Fernsehwerbung in eigener Sache.
Redaktion, Marketing, Technik vernetzen
Entscheidend ist die Erkenntnis, dass Redaktionen eines Mediums sich untereinander unterstützen und vertrauen sollten, dass unterschiedliche Medien miteinander kooperieren sollten, und dass Redaktion, Marketing und Technik eines Hauses füreinander da sein sollten. Insofern kann der Scoop der Panama-Papers auch für andere Medien beispielgebend für ihre Maßnahmen zur Markenbildung und zur Markenbindung sein.
Foto/Grafik: © Süddeutsche Zeitung