14/02/2007 Dr. Dominik Faust

EADS: Der Zeit zu weit voraus?

Europäischer Luft- und Raumfahrt-Konzern unterliegt starkem politischen Einfluss

Die EADS als einen multinationalen Konzern zu kreieren, war eigentlich ein innovativer Gedanke. Immerhin wird die Welt immer globaler, rücken Märkte immer enger zusammen, stehen Firmen im Wettbewerb mit großen Playern. Die EU dient als anschauliche Analogie für diese Entwicklung: Sie ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Nationalstaaten, die auf bestimmten Gebieten ihre Souveränität zugunsten einer europäischen Zuständigkeit aufgegeben haben. Ähnlich war die Idee hinter der Gründung der EADS. Doch weder die EU noch die EADS schaffen es bislang in ausreichendem Maße, gemeinsame Interessen in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handels zu stellen. Das gilt bei der EU etwa für die Verteidigungs- und Beschaffungspolitik. Und bei der EADS gilt es für den Einfluss ihrer wichtigsten Shareholder auf das Unternehmen.

In den vergangenen Monaten ist der Konzern nicht zuletzt wegen des aufreibenden Tauziehens zwischen Berlin und Paris gewaltig ins Trudeln geraten. Es stellt sich die Frage, ob die Zeit eigentlich schon reif ist für eine EADS. Denn was in der Internationalen Politik noch nicht funktioniert, kann auch in multinationalen Unternehmen noch nicht funktionieren, in denen die Politik eine maßgebliche Rolle spielt. Genau das ist bei der EADS der Fall.

Multinationaler Konzern mit nationalen Strukturen

Das oberste Ziel der multinationalen Konzerngründung im Jahre 2000 war es, die europäischen Kompetenzen in der Luft- und Raumfahrt zu bündeln. Als multinationaler Konzern sollte Airbus bzw. EADS im globalen Wettbewerb zum Beispiel gegen große Player wie Boeing bestehen können. Viel besser als eine Deutsche Aerospace AG, DASA (Dornier, MTU Friedrichshafen, AEG, MBB), als eine französische Aérospatiale-Matra oder als eine spanische CASA. An sich war das eine gute Idee! Aber nationale Interessen – insbesondere der großen “EADS-Nationen” Deutschland und Frankreich – spielten von Beginn an eine große Rolle in dem neuen Konstrukt. So ist der französische Staat mit seiner Nuklearstreitmacht und der entsprechend lockeren militärischen Einbindung in die NATO-Strukturen nicht bereit, nationale Kompetenzen auf- oder abzugeben.

Hinzu kommt, dass die beiden großen Partner bei der Besetzung von Führungspositionen in der EADS streng auf Proporz achteten. Auch wenn sich das seit einiger Zeit etwas gelockert hat, und Kompetenz vor Proporz gehen soll, zeigt allein die EADS-Doppelspitze, dass keine der beiden Seiten ihren nationalen Einfluss reduzieren oder gar aufgeben möchte. Zur Erinnerung: Am 25. Juni 2005 wurden Dr. Thomas Enders (damals 46) und Noël Forgeard (58) mit sofortiger Wirkung für fünf Jahre als neue CEOs der EADS berufen. Bereits im Dezember 2004 hatten die beiden EADS-Großaktionäre, die Daimler-Chrysler AG (30,2%) und die französische Sogeade Holding (Lagardère: 15,1%, franz. Staat: 15,1%) beide Manager nominiert. Die bisherigen CEOs  Rainer Hertrich und Philippe Camus standen nach Ablauf ihrer fünfjährigen Amtszeit nicht mehr zur Verfügung.

EADS mit deutsch-französischen Doppelspitzen

Neben dem Wechsel bei den CEOs hatte es in der EADS-Führung 2005 weitere Veränderungen gegeben. Wir von der Agentur DFKOM hatten die neu Struktur seinerzeit in unserem Newsletter in einer Grafik aufbereitet (siehe unten), die übrigens auch im EADS-Pressespiegel Eingang fand. Das Board of Directors mit Dr. Manfred Bischoff von DaimlerChrysler und Arnaud Lagardère von Lagadère an der Spitze hatte 2005 Dr. Gustav Humbert (damals 55) zum Präsidenten und CEO von Airbus ernannt. Humbert war der erste Deutsche auf diesem Posten, der damit auch den EADS-Geschäftsbereich „Airbus“ führte.

Sein französischer Vorgänger Forgeard wurde zum Vorsitzenden des Airbus-Gesellschafterausschusses, der Deutsche Dr. Stefan Zoller (47) zum Leiter des Geschäftsbereichs „Defence and Security Systems“ berufen. Zoller hatte zuvor innerhalb dieses Geschäftsbereichs die Geschäftseinheit „Defence and Communications Systems“ geführt. Das Board of Directors wandelte 2005 ferner den Geschäftsbereich „Aeronautics“ in „Eurocopter“ um, der seither von Fabrice Brégier (damals 44), dem CEO von Eurocopter, geführt wird.

EADS

Frankreich takes it all

Doch diese Struktur sollte nicht lange Bestand haben. Bereits im Juli 2006 mussten EADS-Co-Chef Noël Forgeard sowie der deutsche Airbus-Chef Gustav Humbert mit sofortiger Wirkung ihre Hüte nehmen. Hauptgrund waren die Verzögerungen bei der Auslieferung der A380, die zu Verlusten in Höhe von 4,8 Milliarden Euro bis 2010 führen dürften. Außerdem ermittelte die französische Börsenaufsicht gegen Forgeard wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Nachfolger von Forgeard ist seit Juli 2006 der frühere Chef der französischen Staatsbahngesellschaft SCNF, Louis Gallois (63). Auf den deutschen Humbert folgte mit Christian Streiff wieder ein Franzose an der Airbus-Spitze. Dieser entwickelte das Sparprogramm „Power 8“ und warf nach nur drei Monaten wieder das Handtuch. Seit Oktober letzten Jahres steht EADS-Co-CEO Gallois auch an der Spitze von Airbus.

EADS besteht zu zwei Dritteln aus Airbus

Airbus erwirtschaftet den Löwenanteil des EADS-Umsatzes. Im Jahr 2005 waren das 22,1 Milliarden Euro von 34,2 Milliarden Euro. Der Reingewinn von Airbus betrug 2005 knapp 1,7 Milliarden Euro. Der Flugzeugbauer beschäftigt rund 57.000 Mitarbeiter an 16 Standorten in Europa, davon etwa 25.000 in Deutschland. Der Mutterkonzern EADS hat doppelt so viele Beschäftigte (113.000) und gilt als weltweit führender Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung. Die Struktur der EADS-Shareholder hatte sich in den vergangenen Tagen geändert.

Am Freitag, 9. Februar, verkaufte DaimlerChrysler 7,5 Prozent seiner EADS-Aktien für 1,5 Milliarden Euro an ein Konsortium aus privaten Großbanken und mehreren Bundesländern. Allerdings behalten die Stuttgarter als deutsche Vertreter im Konzern die Stimmrechte der nun verkauften Aktien. Neue Eigentümer dieses einen Drittels der von Daimler gehaltenen EADS-Aktien sind zu 60 Prozent Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Credit Suisse, Goldman Sachs sowie eine Gemeinschaft aus Morgan Stanley und Sal. Oppenheim. Die übrigen 40 Prozent halten bundeseigene KfW-Bankengruppe mit 13 Prozent sowie die Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Bremen.

Kein echtes europäisches Unternehmen

Ist die EADS also ein selbständiges europäisches Luft- und Raumfahrtunternehmen? Ganz offensichtlich nicht! Dazu ist der Einfluss der Politik auf das Unternehmen noch viel zu groß. Die beiden Hauptakteure in diesem Spiel sind Deutschland und Frankreich. Sie haben bislang nicht die hoheitliche Aufgabe der Verteidigung an den Staatenverbund EU abgetreten. Nicht zuletzt deshalb wollen sie ihren Einfluss auf jene Industriesparten sichern, die sie für ihre Verteidigungsaufgaben benötigen. Dazu gehört in erheblichem Maße eben die Luft- und Raumfahrtindustrie mit ihren darin verwobenen wehrtechnischen Komponenten. Erst wenn sich die beiden auf eine echte und umfassende Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) verständigt haben, dürfte sich das ändern. Diese wird es jedoch aus unterschiedlichen Gründen auf absehbare Zeit nicht geben. Insofern ist ein europäisches Unternehmen wie die EADS eigentlich noch nicht zeitgemäß.

Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, dann mag man sich die jüngste Äußerung von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos anhören. Der Politiker drohte der Airbus-Mutter EADS damit, notfalls Rüstungsaufträge zu entziehen, wenn hierzulande Airbus-Arbeitsplätze im Rahmen des Programms „Power 8“ abgebaut werden sollten. Es sieht vor, allein in Deutschland 10.000 Stellen zu streichen.

EADS-Update vom 16. Juli 2007:

Der lange Streit um die Doppelspitze bei der EADS ist offenbar beigelegt. Die Anteilseigner und das Management beschlossen am Dienstag eine neue Führungsstruktur für den multinationalen Konzern mit Sitz in Amsterdam. Nach einer entsprechenden ddp-Meldung wird der deutsche DaimlerChrysler-Manager Rüdiger Grube alleiniger Vorsitzender des EADS-Verwaltungsrats. Bislang hatte er das Gremium gemeinsam mit dem Franzosen Arnaud Lagardere geführt. Alleiniger EADS-CEO wird Louis Gallois. Der bisherige deutsche EADS-Co-Chef Thomas Enders werde Vorstandsvorsitzender der Konzerntochter Airbus. Das wird hoffentlich zu schnelleren und effizienteren Entscheidungen führen. Grube wird der Mitteilung zufolge die Verantwortung für die strategische Entwicklung der EADS tragen. In diesem Zusammenhang werde er den Vorsitz des neu geschaffenen Strategie-Komitees der EADS übernehmen. Gallois werde als EADS-Vorstandsvorsitzender verantwortlich für die Umsetzung der Strategie sein. Airbus-Chef Enders, der in Zukunft an Gallois berichte, werde von Fabrice Brégier als Chief Operating Officer unterstützt.

Gleichzeitig beschlossen die Anteilseigner eine Erhöhung der Zahl unabhängiger Mitglieder des Verwaltungsrates. Dazu würden sowohl DaimlerChrysler als auch Sogeade auf jeweils zwei Sitze verzichten. DaimlerChrysler und Sogeade halten inzwischen jeweils 22,5 Prozent an EADS, die spanische Staatsholding Sepi 5,5 Prozent.

Titelbild & Grafik: © Faust / DFKOM GmbH

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Dr. Dominik Faust

Der Autor verbindet operative Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz sowie zertifizierte Veränderungs-Kompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise. Er verfügt über langjährige Expertise und etliche Zertifikate in Change Leadership, Change Management, digitaler Kommunikation und Facilitation. Als Führungskraft (+70 MA) und Top-Management-Berater hat er bereits zahlreiche Wandelvorhaben erfolgreich initiiert und konzipiert. Dominik promovierte über notwendige Veränderungen internationaler Organisationen zur Steigerung ihrer Effektivität und Effizienz. Auf Basis seiner breiten theoretischen und praktischen Change-Expertise berät er im viadoo-Team erfolgreich Führungskräfte auf C-Level.