17/06/2017 Dr. Dominik Faust

Agile Organisation mit Hilfe interner Startups

Wie Spotify und Ryte wachsen konnten und dennoch agil blieben

Agile Organisation und Change sind keine Buzzword, sondern ständige Begleiter in Unternehmen. Dies erleben wir immer wieder in der Change-Management-Beratung für unsere Mandanten. Erst kürzlich bestätigten dies junge Führungskräfte von Airbus, Daimler, ZF und anderen großen Playern, die wir in Sachen Change Leadership schulen durften. Die Gründe für Veränderungen in Unternehmen sind dabei sehr vielfältig. Bei Startups zum Beispiel besteht eine häufige Ursache im schnellen Aufwuchs des Personalbestandes. Oft leidet zunächst die interne Kommunikation: Informationen, die man sich im kleinen Kreis quasi zurufen konnte, dringen im großen Team nicht mehr schnell genug durch. Das Wissen von Mitarbeitern fließt nicht mehr oder nicht mehr rechtzeitig in relevante Entscheidungsprozesse ein. Diese verzögern sich, die Innovationsfähigkeit des ganzen Unternehmens leidet. Solche Erfahrungen machte etwa Andreas Bruckschlögl, der Co-Founder von Ryte (vormals OnPage). Wir trafen ihn, der auch einer der Gründer von Bits and Pretzels ist, kürzlich in München.

Bruckschlögl hat die OnPage GmbH 2012 zusammen mit Marcus Tandler, Jan Hendrik Merlin Jacob und Niels Dörje gegründet. Nach wenigen Jahren haben sie ihr Unternehmen völlig umstrukturiert. Was war passiert? Dazu muss man wissen, dass OnPage bzw. Ryte wie ein Radargerät funktioniert, das Webseiten von Unternehmen mit deren Einverständnis nach SEO-Potenzialen scannt. Um die entsprechende Software aktuell zu halten, sind schnelle Prozesse zur Softwarepflege und -änderung notwendig. Doch je mehr Mitarbeiter das Startup einstellte, desto langsamer wurden diese Prozesse.

Agile Organisation mit kleinen Squads nach dem Vorbild Spotify

Als die Belegschaft der jungen Firma fast 50 Mitarbeiter erreicht hatte, galt es, die Organisation agiler, dynamischer zu strukturieren. Gleichsam über Nacht verabschiedete sich das Management von der klassischen Linienstruktur und führte eine Matrixstruktur ein. Vorbild dafür waren laut Bruckschlögl die Kollegen von Spotify. Der Ryte-Co-Founder Niels Dörje hat gute Kontakte zum Spotify-Co-Founder Martin Lorentzon. Wie der Musik-Streaming-Dienst etablierten auch die Münchner unter anderem sogenannte Squads. Das sind kleine Einheiten, crossfunktionale Teams mit maximal 15 Leuten, die wie kleine Startups agieren – also selbstorganisierte Teams für eine agile Organisation darstellen.

Konkret heißt das, dass sie auf der Basis der Unternehmensziele jeweils das beste Produkt des Marktes oder die besten Teile eines Produkts entwickeln sollen. Sie stehen unter der Leitung eines Product Owners, der die Budgetverantwortung inne hat und im Rahmen seiner Leadership mit seinem Team die Roadmap entwickelt. Die Squads arbeiten nach dem Prinzip “Release early, release often”. Das heißt, ein Unternehmen geht häufig und früh mit marktreifen Prototypen an den Start und optimiert sie anhand von Kunden-Feedbacks.

Knowhow-Transfer mittels interdisziplinärer Chapter

Das gängige Problem des internen Wissenstransfers lösten die Unternehmer unter anderem mit sogenannten Chaptern. Darin sind maximal sieben Mitglieder verschiedener Squads, aber auch KollegInnen aus dem Marketing und anderen Zentralfunktionen zusammengefasst. Sie tauschen sich über Projekte aus und sorgen so dafür, dass das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss. Chapter-Leads und -Mitglieder sind gleichzeitig Squad-Mitglieder, sodass sie immer Verbindung zum operativen Geschäft behalten. Alle Mitarbeiter legen übrigens – quasi als Element einer transparenten Führung – ihre persönlichen Objective Key Results (OKR) den Chapter-Leads vor, die sie wiederum zur Freigabe an das sogenannte Steering Committee geben, das sich aus den Geschäftsführern zusammensetzt.

Schnelle Infos dank täglicher Stand-up-Meetings

Das wichtigste Mittel zum Austausch untereinander ist die offene Meetingstruktur. Sie umfasst zunächst tägliche Stand-up-Meetings in den Squads. Dabei berichtet jedes Mitglied kurz über den Stand der Dinge seines Projekts, wo es Unterstützung benötigt und wobei es unterstützen kann. Jeden Montag treffen sich dann hintereinander das Steering Committee (SC) sowie das SC mit den Product Ownern und den Chapter-Leads. Ebenfalls montags finden Jour Fixe der Chapter und Squads statt. Auf diese Weise stellt das Team intern kurze Informations- und Entscheidungswege sicher.

Aus unserer Beraterpraxis wissen wir, dass es eine große Herausforderung ist, etablierte Unternehmen zu agile Organisationen weiterzuentwickeln. Ein sanfter Anfang kann im Bereich der Kollaboration erfolgen. Deshalb entwickeln wir häufig erst einmal neue Meeting-Strukturen und empfehlen parallel die Nutzung von Instant- bzw. Team-Messanging-Diensten und anderen Medien zur Kollaboration bzw. zum Vernetzen interner und externer Ressourcen.

Foto: © Faust/viadoo

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Dr. Dominik Faust

Der Autor verbindet operative Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz sowie zertifizierte Veränderungs-Kompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise. Er verfügt über langjährige Expertise und etliche Zertifikate in Change Leadership, Change Management, digitaler Kommunikation und Facilitation. Als Führungskraft (+70 MA) und Top-Management-Berater hat er bereits zahlreiche Wandelvorhaben erfolgreich initiiert und konzipiert. Dominik promovierte über notwendige Veränderungen internationaler Organisationen zur Steigerung ihrer Effektivität und Effizienz. Auf Basis seiner breiten theoretischen und praktischen Change-Expertise berät er im viadoo-Team erfolgreich Führungskräfte auf C-Level.